Wir wollen die Geek-Kultur im deutschsprachigen Raum fördern, daher freuen wir uns, euch heute das 3te Geek-Interview vorzustellen. Nach dem Schwerpunkt „Cosplay“ der ersten beiden Interviews, geht es heute um das Thema Spiele-Entwicklung. Dazu steht uns Jörg Reisig, langjähriger Spiele-Entwickler aus Berlin, Rede und Antwort.
Viel Spaß beim Lesen!
1. Welches ist dein Lieblingsspiel aus dem deutschsprachigen Raum (D, AT, CH) und warum?
Die „Battle Isle“ Spiele aus den 90ern, denn ich habe diese Spiele damals sehr viel gespielt. Ich liebe rundenbasierte Spiele und die „Battle Isle“-Reihe hatte sehr interessante Einheiten und Missionen. Mir gefiel, dass man (ich glaube im 3ten Teil) seine überlebenden Einheiten in die nächste Mission übernehmen konnte. Ein vergleichbares Spielerlebnis hatte ich nur noch auf dem DS mit Advanced Wars.
2. Stell dich bitte kurz vor
Ich tummele mich jetzt schon seit über 10 Jahren in der deutschen Gamesbranche herum. Ich habe als Programmierer an Desperados 2, Drakensang und Spec Ops : The Line gearbeitet und als Game Designer an Dreadnought und Fightlings. Jetzt bin ich freischaffender Spieleentwickler, unterrichte Game Programming und arbeite im Saftladen, dem ersten deutschen Indie-Entwickler-Kollektiv, an meinem erstem Soloprojekt mit dem Namen „Fermi Paradox“.
3. Wie bist du Game Developer geworden?
Ich habe nach einem abgebrochenem Informatikstudium den ersten Game-Programming-Kurs an der Games Academy Berlin besucht und wurde danach sofort bei Spellbound Entertainment als Junior Programmierer für das Spiel Desperados 2 übernommen.
4. Wie siehst du die deutschsprachigen Game Studios im Vergleich zur internationalen Konkurrenz?
Leider werden ja kaum noch große Spiele in Deutschland entwickelt, da diese mittlerweile sehr teurer zu produzieren sind. Auch einige groß gewachsenen Browsergame und Mobile-Firmen bauen mittlerweile ganz schön Leute ab. Ich freue mich, dass es mittlerweile viele interessante Indie-Teams im deutschsprachigem Raum gibt und das es immer noch spannende Studios gibt, die coole Spiele wie zum Beispiel Shadow Tactics veröffentlichen.
5. Was siehst du als USP (unique selling point) der deutschsprachigen Developer Szene, gibt es etwas, das sie einzigartig macht?
Naja, irgendwie waren das ja immer so Wuselspiele, Mittelalter-Handelsimulationen und Fussballmanager. Ich finde, dass die meisten heutigen Free-2-Play-Spiele sich so ähnlich sind, dass ich da nicht sagen könnte, was bei den Deutschen besonders anders sein sollte, und Indie-Games sind dann wieder so individuell, dass ich da keinen deutschen Trend sehe. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Teams an deutsche Themen heranwagen würden, wie zum Beispiel das Berliner Nachtclub Spiel „All Walls Must Fall“.
6. Gibt es etwas, dass du dir für die Game-Developers und Game Studios hierzulande wünscht?
Erstmal eine faire Bezahlung und einigermaßen geregelte Arbeitszeiten. Das hat sich zwar schon verbessert, aber ich höre leider immer noch ganz schöne Horrorstories aus der Szene. Zum Beispiel gibt es in fast keinen deutschen Computerspielstudios einen Betriebsrat, auch bei Firmen mit über 100 Mitarbeitern.
7. Was sind deine Projekte für 2017?
Ich habe 2016 angefangen an einem eigenen Indie Spiel zu arbeiten. Das Fermi Paradox ist eine narrative Weltraumsimulation, bei der man das Schicksal einer ganzen Galaxie lenkt und versucht, die dort lebenden Alien-Zivilisationen weiterzuentwickeln. Ich fand es besonders reizvoll ein Strategiespiel zu bauen, bei dem das ultimative Ziel nicht die Eroberung der Galaxie ist, sondern die friedliche Koexistenz aller. Die ersten Infos dazu gibt es auf Twitter!
8. Viele Geeks tragen ja eine Game-Idee mit sich herum, was würdest du ihnen raten, wie sie es verwirklichen bzw. testen können?
Ich finde sehr viele Ideen können während eines lokalem Game Jams ausprobiert werden. Dort kommt man auch in Kontakt mit vielen anderen Entwicklern, von Anfängern bis hinzu Profis. Viele haben ja Ideen für ganz, ganz große Spiele, die man eigentlich nur mit einem sehr großem Team entwickeln kann, da sollte man sich erstmal auf eine sehr kleine Idee konzentrieren, vielleicht einen coolen Mod oder ein nettes Puzzlespiel. Hat man das Projekt geschafft, kann man sich dann auf ein ein bisschen grösseres konzentrieren.
9. Wenn jemand selbst Game Developer werden möchte, welche Ausbildung und Karrierepfad würdest du empfehlen?
Kommt ein bisschen darauf an, in welcher Sparte man sich spezialisieren will (Programmierung, Game Design oder Art?). Eine traditionelle Programmierer-Ausbildung oder ein Informatikstudium ist für eine/n reine/n Programmierer/in wahrscheinlich das beste. Für Game Designer/innen und Artists gibt es mittlerweile viele gute Game-Development-Studiengänge. Viele davon sind leider privat und recht kostenintensiv. Ich würde ein Studiengang empfehlen, der auch sowas wie einen Bachelor Abschluss beinhaltet.
10. Passend dazu, was hat dich über den Game Developer Beruf am meisten überrascht?
Mich hat ganz schön geflasht, in welche Richtung sich „Spec Ops : The Line“ in den 5 Jahren, an dem ich an dem Projekt mitgearbeitet habe, entwickelt hat. Von etwas, dass am Anfang eigentlich nur eine Art Ghost Recon in einem abgefahrenem Wüstensetting war, wurde ein eher surrealer Shooter, der auf manche Leute einen sehr emotionalen Impact gehabt hat. Als ich zum Beispiel das Brendan Keogh Buch „Killing is Harmless“ über Spec Ops : The Line gelesen habe, war das für mich schon der „Aha-Moment“, das Computerspiele mittlerweile Leute auf ganz andere Weise erreichen können.
11. Welche Game Projekte und Entwicklungen findest du gerade besonders spannend und wieso?
Mir wird ja leider bei VR immer sofort schlecht, deswegen bin ich leider nicht so wirklich gehyped von der Technologie. Was mich momentan sehr begeistert ist wie sich itch.io von einer Plattform voller Hobby und Amateurspiele zu einer Sammlung von extrem interessanten Kunstprojekten und abgefahrenen Indie-Spielen entwickelt hat. Jetzt müsste ich nur die Zeit haben die alle zu spielen. 🙂
12. Welche Game Design Entscheidung(en) kommt(en) für dich direkt aus der Hölle?
Ich bin immer ganz schön frustriert wenn Spiele grundlos die Spieldauer in die Länge ziehen. Dabei spiele ich sehr gerne lange Spiele, aber gerade im Free-2-Play-Bereich wird die Spielzeit oft künstlich so stark verzögert, dass sie oft keinen Spaß machen, selbst wenn man beträchtliche Mengen an Geld dafür ausgibt.
13. Beschreibe deinen schönsten Spielmoment der letzten Jahre!
Ich spiele gerade ziemlich obsessiv Hearthstone und hatte unzählige, nervenaufreibende Matches. Aber ich glaube, meine Lieblingsmomente im letztem Jahr waren bei dem neuem Hitman-Spiel. Ich habe mich in den tollen Sandbox Leveln wie Marokko, Himmapan oder Sapienza komplett verloren.
14. Welche Entwicklung in der deutschsprachigen Games-Szene macht dir derzeit Sorgen?
Die Welle an Entlassungen oder gar nicht bezahlten Gehältern in großen, deutschen Studios finde ich ganz schön bedenklich. Zum einen finde ich es schwierig, wenn Firmen grundlos expandieren ohne wirklich eine soliden Plan zu haben, wie sie ihre vielen Mitarbeiter auf Dauer halten wollen, zum anderen ist es vollkommen unakzeptabel Leute, die ihr Herzblut in die Produktion von Games stecken, nicht zu bezahlen.
15. Gibt es noch etwas, dass du loswerden möchtest an alle Gamer da draußen?
Im Allgemeinen würde ich mir mehr Toleranz und Zivilcourage wünschen. Egal ob man einfach auf Konsolenshooter steht, rund um die Uhr MOBA`s zockt, auf Walking Simulators abfährt oder gerne F2P-Puzzle-Games zockt. Gerade online, wenn euch jemand über den Weg läuft, der/die rassistische, homophobe oder sexistische Scheiße von sich gibt, toleriert das nicht einfach. Stellt die Leute zu Rede, reportet sie und zeigt denen, die von so Leuten fertig gemacht werden das die nicht damit alleine sind.
Schreibe einen Kommentar