Ein Spiel hat mich schon seit längerem interessiert, jetzt kam ich endlich dazu, selbst zur Waffe zu greifen und auf Jagd zu gehen. Nein wir reden nicht von Call of the irgendwas oder Medal of Humor, nein heute möchte ich über die Jagdsimulation „Call of the Wild“ sprechen.
Nein, das ist kein Game-Review o.ä., mir geht es um eine ganz besondere Erfahrung, die ich in diesem Spiel gemacht habe: Der Schuss auf ein (virtuelles) Tier hat mir moralisch mehr zu denken gegeben, als irgend ein Schuss auf einen (virtuellen) Menschen davor.
Warum?
Zuerst mal ein Schritt zurück, für alle, die das Game nicht kennen. Was ist Call of the Wild?
„Call of the Wild“ ist ein Open-World-Jagd-Simulator, der von Expansive Worlds und Avalanche Studios entwickelt wurde. Das Spiel bietet eine Vielzahl von Wildtieren, die in einer realistischen Umgebung gejagt werden können, darunter Hirsche, Bären, Elche und Wölfe. Der Spieler muss seine Jagdfähigkeiten verbessern, um erfolgreich zu sein, und gleichzeitig die Wildnis navigieren, um zu überleben. Das Spiel bietet verschiedene Spielmodi und Schwierigkeitsstufen, lässt sich Zeit und ist definitiv mehr Simulation als Arcade-Game.
Soviel dazu.
Da streife ich also durch die Wildnis. Seit ca. 30 Minuten verfolge ich eine Spur eines Bären in der amerikanischen Wildnis. Immer wieder höre ich seine Geräusche, manchmal für die Brunft, manchmal als Warnung.
Warnung gegen mich?
Könnte gut sein, die Windströmung ist ungünstig für mich, meine Düfte scheinen seine empfindliche Nase zu stören. Doch gesehen habe ich ihn noch nicht. Ich weiß aber, dass er da ist. Die Warngeräusche werden lauter, er muss mich also bemerkt haben. Seit fast einer Stunde bin ich nun hinter ihm her, soll mir jetzt Diana – Die Göttin der Jagd – hold sein und ich komme endlich zum Schuss? Ich verstecke mit bei einem Gebüsch am Waldrand, das gibt mir zusätzlich Tarnung.
So hoffe ich, seinen Augen zu entgehen.
Das größte Problem bleibt aber mein Duft, doch endlich dreht der Wind und ich bin schwerer zu entdecken. Jetzt heißt es warten. Und warten. Den Feldstecher im Ansatz suche ich den Waldrand nach meiner Beute ab.. DA! Ach ne, war nur der Schatten eines großen Steines. Leider wird es auch langsam Dunkel und meine Sicht verschlechtert sich zunehmend.
Der Schwarzbär trägt seinen Namen nicht umsonst! Doch da, jetzt, endlich, echte Bewegung, ich kann das Haupt (= der Kopf) erkenne. Es ist tatsächlich der Schwarzbär, den ich jetzt schon so lange jage. Ich hole meine stärkste Waffe mit dem größten Kaliber, so ein gewaltiges Tier ist ziemlich Schussfest, da brauchen wir Wumms. Ich lege an… doch kann ihn in meinem Zielfernrohr nicht mehr entdecken.
War es das? Chance vertan? Ich harre aus und das Glück ist mir zugetan. Ein paar Meter weiter sehe ich ihn gemütlich aus dem Wald trotten. Er scheint mich zu riechen, steckt er doch immer wieder seine Nase in die Luft und schaut in meine Richtung. Er muss noch 2 Schritte machen, dann hätte ich eine perfekte Schussmöglichkeit. Schließlich soll der Schuss sitzen und das Tier nicht lange leiden. Dazu muss ich seine Lungen oder sein Herz treffen. Kopfschuss ginge zwar auch, ist aber schwer zu treffen und zerstört die Trophäe.
Ich warte.
JETZT steht er perfekt: Luft anhalten, Zielen…
UND
Er tut mir irgendwie leid. Wie er da steht und sich um seine Angelegenheiten kümmert. Voll in seinem Element voll Natur und Wald. Und ich? Der Eindringling auf der Suche nach Trophäen, Beute, Jagdglück.
Ich schieße trotzdem, freue mich kurz über den perfekt gesetzten Schuss.. aber moralisch begleitet mich dieser Abschuss noch lange. So lange sogar, wie ich diese Zeilen schreibe.
Da schieße ich seit Jahrzehnten ohne viel nachzudenken und inflationär auf virtuelle Gegner, Aliens und Roboter. Aber der Bär bleibt mir im Gedächtnis. Bin ich abgestumpft? Diese Gegner begleiten mich schon so lange, ich hab sie von pixeloptik bis virtuelle Realität gejagt und erlegt, ich denke darüber nicht mehr nach. Es ist einfach dumpfe Spielmechanik,
Gut, ich jage auch gerne in anderen Spielen, in Red Dead Redemption war es wohl einer meiner Lieblingsbeschäftigungen. Aber da war es wohl zu sehr „Spielmechanik“. Wenig Gefühle kamen auf für die Tiere.
Liegt es also an der Simulation? Eventuell, jedoch habe ich auch einige Militär-Simulationen gezockt und dort nie solche moralischen Bedenken gehabt.
Bleibt noch ein Argument: Das Tier kann sich nicht wehren. Gut, ein Bär könnte mich zwar jetzt schon fressen und ist auch eine der wenigen Tiere, die Menschen tatsächlich als Futter sehen. Aber selbst in Call of the Wild kommt das eher selten vor. Doch der Fuchs, das Reh, der Hirsch, all diese Tiere schießen nicht zurück. Vielleicht beschäftigt es mich deswegen so sehr?
Als ich dann noch mehr auf die Jagd ging, merkte ich aber auch, wie die Spielmechaniken zu greifen begannen. Ab dem 3ten Reh oder Hirsch geht es plötzlich wieder nur um die beste Trophäe. Vorbei die moralischen Bedenken, jetzt wird die Highscore geknackt. ZOOOOOcckkkeeeeeen!!!
Da muss ich dann auch selbst innehalten und das Spiel ausmachen. Denn so macht es mir keinen Spaß.
Spaß? Ja, denn dieser einer Bär wird mir immer im Gedächtnis bleiben und das macht mir „Spaß“. Hier hat ein Spiel geschafft, was schon lange kein Spiel mehr geschafft hat: Es hat mich berührt. Mir zu denken gegeben.
Dafür bin ich dem Bär dankbar und glücklich!
Waidmannsheil
Euer

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